Da war es wieder so weit. Türchen 24. Heilig Abend. Krippe, Hirten. Schafe, Ochs und Esel. Christkind. Maria und Josef. Engel, natürlich Engel. Die Geschichte ist bekannt.
Was löst sie aber aus? Jetzt? Im Jahre des Herrn Zweitausenddreiundzwanzig?
Es ist anders geworden – in den letzten Jahrzehnten besonders. Eigentlich seit über einem Jahrhundert. Die Geschichte davon erzählen wir in den christlichen Großkirchen negativ: Austrittsrekorde. Säkularisierung. Traditionsverlust. Entkirchlichung. Religionsverlust.
Die Reaktion darauf? Sehr unterschiedlich. Innerhalb der Kirchen: Drama. Im immer zahlreicheren Außerhalb. Naja, geht so. Gleichgültigkeit ist das Positivste, was man nennen könnte.
Aber es gibt Panikstrategien.
Mal die Schönsten:
In der Schmollecke sitzen. Zwischen Beleidigtsein und aggressivem Jetzt-erst-recht frönt es sich dem „Weiter so“ ganz gut. „Gesundschrumpfen“ wird gerne gesagt. Auf die, die auch nichts ändern wollen. Damit am Ende alles bleiben kann, wie es ist.
Oder: Zukunftsprogramme – gerne auch als „Prozess“ unterwegs. Solange es nicht zu sehr vom Jetzt abweicht. Dabei wird gesteuert, was der Esel hergibt. Richtung kommt durch Führungswissen, gerne in der Einzahl. „Predict and control“ (vorhersagen und kontrollieren), so geht es in die Zukunft. Das ist so unfassbar Achtziger! Schafft aber Sicherheit in der Unsicherheit. Jedenfalls, wenn man (oder frau) annimmt, Unvorhersehbarkeit ließe sich mit Werkzeug von vorgestern beherrschen.
Oder – auch eine geile Panikreaktion: „Mehr von“! Mission, Diakonie, Pfarrer:innen, Gemeinde, Gebäude, Beliebtheit. Von allem mehr. Das allfällige Weniger – Mitarbeiter:innen, Mitglieder, Motivation – wird bekämpft mit einem Mehr. Das vergangene Mehr hatte zwar nicht verhindern können, dass es jetzt weniger ist, aber die Lösung ist „mehr von früher“. Klingt für mich wie die Logik eingefleischter FDP-Wähler:innen: Hat zwar nicht geklappt mit dem Turbo-Kapitalismus, aber sonst hat niemand Ahnung von der Wirtschaft?
Entschuldigung! Jetzt wird es doch zu garstig… Ich ziehe das Letzte zurück und behaupte…ach nee, Krippe…Weihnachten…das war es…
Heilig Abend bedeutet: Gott bricht jede Regel! Gott enttäuscht jede berechtigte Erwartung! Gott wird Mensch! Statt der Gott zu bleiben, den Menschen gerne hätten.
Tatsächlich. Ich denke, Kirchenentwicklung, also die Frage, wie das Christentum in die Zukunft geht, hat etwas von diesem rührend hilflosen Weihnachten. Gott hat sich auf den Weg in und durch die Welt gemacht. Katastrophal einfach. Maximal offen. Ehrlich suchend.
Die Zukunft der Kirche ist so wie Weihnachten, nur ein bisschen krasser. Weil wir Ballast loswerden müssen: den Segen der Institution, der viele (hundert) Jahre gehalten hat und jetzt hindert aufzubrechen, die Kruste der Traditionen, die manche tiefe Wahrheit verschleiern unter Sprachungetümen, die das Evangelium fast unverstehbar machen, weil es so verborgen ist unter Worten, die so und eben nur so richtig sind. Die Illusion der Sicherheit und der Beständigkeit. Wahrscheinlich ist der Beweis für die ewige Wahrheit des Evangeliums eben nicht die ewige Unveränderlichkeit, sondern eher die radikale Neufindung – in jeder Zeit und an jedem Ort wieder neu.
Frohe Weihnachten! Das Gute in der guten Botschaft ist: Er ist dabei und er wird es sein, auch wenn noch so unklar ist, wie es weitergehen wird.
Das ist nicht viel und vielleicht nicht das, was sich das stabilitätssehnige Herz wünscht. Aber es ist sehr viel mehr als die reine existentielle Unsicherheit.
Kirche – oder wenn du das lieber magst: das Christ:innentum – von Weihnachten her denken, bedeutet: die Zusage, dass es Kirche und Glauben immer geben wird durch den Geist Gottes, heißt nicht, dass Kirche und Glauben unveränderlich durch die Zeit gleiten, sondern dass in allen Veränderungen Gott und Christus und die göttliche Geistkraft neu dabei und sie selbst sein werden.
Frohe Weihnachten also!